Rastenberg´s Ruf uralt-
Stahlquelle,
Schwimmbad,
Wald!
Mit der Stilllegung des Kalischachtes und der damit verbundenen Arbeitslosigkeit für viele Rastenberger Bürger besann sich die Stadtverwaltung der früheren Traditionen der Stadt. Sie beschloss die landschaftlichen und klimatischen Vorzüge der Umgebung z.B. 7° C mittlere Jahrestemperatur, herrliche Laub- und Nadelwälder und schonendes Reizklima zu nutzen und Rastenberg als Luftkurort zu gestalten. Der damalige Bürgermeister Fränke beschrieb das Potential der Stadt mit folgenden Worten:
“Jeder Atemzug Rastenberger Luft ist Lebensbalsam und kostbarer als Gold und Edelsteine!“
Dieser herrlichen Umgebung fehlte als Anziehungspunkt nur noch eine Attraktion. Das sollte das Schwimmbad werden.
An zwei Schilfteichen im idyllischen Mühltal begannen im Dezember 1924 die Arbeiten. Zwanzig Arbeitslose unterstützten im Rahmen von Notstandsarbeiten (heute bekannt als ABM) die Baufirma.
Der Beschluss zum Bau des Schwimmbades hat zu heftigen Diskussionen im Stadtrat und der Bevölkerung geführt. Nachstehender Artikel aus dem Regionalzeitung „Finne-Bote“ von 1925 belegt dieses.
„Man schreibt uns, das im Mühltal neu errichtete Schwimmbad ist nunmehr fertig gestellt. Schon seit Tagen herrscht dort reges Treiben. Alt und Jung tummeln sich im Wasser und ein Jeder, mag er früher auch noch so ein scharfer Gegner des Bades gewesen sein, ist jetzt hocherfreut über das Bad. Es wäre äußerst geschmacklos über dieses Werk, das Rastenberg so sehr fehlte und das Rastenberg vor allem als Kurort mit hebt, ganz oberflächlich hinwegzugehen. Die Ursachen der Errichtung eines Bades sind wohl jedem bekannt. Was nun alles Schlechte über das Bad hier gesagt worden ist, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden. Der Rastenberger Einwohnerschaft ist ja alles genau bekannt. Es soll oder muss vielmehr gesagt werden, dass dieses Bad, wie auch so vieles andere, ein Mahnzeichen für diejenigen Elemente ist, die dieses Vorhaben maßgebender Stellen hier durch Hetzereien zu unterwühlen versuchen. Man denke nur an die Kurverwaltung, was hat die nicht schon alles nach Ansicht dieser Herren verbrochen. In Rastenberg bekämpft man alles Neue. Über das Warum hat man seine Ansichten. Man weiß es ja aber hier (so richtig die Art der „Kleinstadtkäuze“). Auffallend ist allerdings, dass sich an diesen Wühlereien ein Stand beteiligt, dem es, mag man auch denken wie man will, nicht zukommt, der sich aber durch diese Arbeit selbst schadet. Bringt der Fremdenverkehr keinen regen Wirtschaftsaufschwung mit sich? Und für wen tun denn eigentlich die maßgebenden Stellen ihre Propaganda- und Aufbauarbeit. Nein, zu einem ersprießlichen Aufwärtsarbeiten gehört das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit, die Tatkraft und keine Hintermännerpolitik. Lacht man im Nachbarstädtchen nicht über die krassen Zerwürfnisse bei uns? Hat noch nicht jeder erkannt, dass dem, was wir tun, immer von da aus entgegengearbeitet wird? Es gebührt also allen jenen und vor allen Dingen unserem Bürgermeister, die sich in aufopfernder Weise für das Bad eingesetzt haben und sich von diesen schadhaften Wühlereien nicht beirren ließen, der Dank der Gemeinde. Auf denn zur Einigkeit, zur Tatkraft, zum Licht!“
Nachdem im Sommer 1925 schon reichlich gebadet worden war, fasste der Stadtrat erst im November den Beschluss über die Fertigstellung des Bades.
Für das Schwimmbecken wurde auch ein passendes Umfeld geschaffen. So entstanden:
Wirtschaftsräume und eine Gaststätte, Umkleidekabinen, Fahrradstand, Liegewiesen, Musikpavillon, Geländer um das Schwimmbecken, Sprungturm, Wandelhalle.
Diese Arbeiten waren bis Ende der 20er Jahre abgeschlossen.
So hatte sich die Stadt Rastenberg aus eigener Kraft ein wunderschönes Waldschwimmbad geschaffen, ein Anziehungspunkt für Jung und Alt, für Sporttreibende und Erholungssuchende. Es trug wesentlich dazu bei, dass der Kur- und Badebetrieb weiter belebt wurde. Bereits 1926 fand das Gauschwimmfest und 1927 das Kreisschwimmen der Deutschen Turnerschaft statt.
Der erste Bademeister Herr Voigt wurde 1926 für 150 RM im Monat eingestellt, der Kassierer bekam 1,50 RM pro Tag, Hilfsarbeiter 2 RM pro Tag und der Kurdiener 15 RM pro Monat. Nach der Saison arbeitete der Bademeister als Stadtarbeiter für 0,85 RM Stundenlohn.
Die Eintrittspreise waren sehr moderat. Der Finanz- und Verwaltungsausschuss legte fest: Eintritt für Erwachsene 15 Pfennig und Kinder 5 Pfennig. Ende der 20er Jahre gab es in Rastenberg 9 Pensionen mit 51 Zimmern und 97 Betten. Privat vermieteten 85 Familien 61 Zimmer und 283 Betten. 1928 hatte das Schwimmbad ca. 50.000 Badegäste.
Auch in der Zeit des Nationalsozialismus ging der Kur- und Badebetrieb unvermindert weiter. Durch die nationalsozialistische Organisation KdF („Kraft durch Freude“) kamen viele Arbeiter in den Genuss eines Urlaubes in Rastenberg. Es fanden regelmäßig Konzerte und Sommernachtsbälle statt.
Nun wurde auch negatives Gedankengut in unseren Ort getragen. Ab 1935 stand ein Schild vor dem Schwimmbad mit folgender Aufschrift: „Juden ist der Zutritt zu unserem Schwimmbad untersagt!“
Auf Initiative des Bürgermeisters Kotsch war man 1935 auf die Suche nach den Heilbrunnen gegangen und fand eine eisenhaltige Quelle. Die Quelle wurde eingefasst, ausgebaut und 1936 fertig gestellt. Von der Quelle wurde das Wasser zum Brunnenhäuschen vor dem Schwimmbad geleitet und dort ausgeschenkt. Ein wichtiger kultureller Höhepunkt war dann das Brunnenfest zur Einweihung der Quellen 1937.
Der Ausbruch des zweiten Weltkrieges und die dadurch bedingten Einsparungen führten zu einer Vernachlässigung der Quellen. Süßwasser drang ein und verminderte die Wasserqualität. Trotzdem wurde der Badebetrieb bis 1944 aufrechterhalten.
Am 11. April 1945 besetzte die US-Armee unsere Stadt. Die Soldaten quartierten sich im Schwimmbad ein und warteten ihre Panzer. Somit fiel die Badesaison in diesem Jahr ins Wasser. Nach dem Abzug der Amerikaner im Juni 1945 hatte die Stadt andere Probleme als den Badebetrieb zu eröffnen.
Aber bereits 1946 wurde das Schwimmbad wieder eröffnet.
Am 16.Juli 1946 erhielt die Stadt Rastenberg vom Landrat des Kreises Weimar anlässlich der 300jährigen Wiederkehr der Entdeckung der Rastenberger Heilquellen von 1000 Mark. Dieser Tag wurde mit einem Schwimm- und Brunnenfest gefeiert.
Der Kurbetrieb wurde mit Hilfe des FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund) neu belebt und aufgebaut. In jeder Saison (Mai-September) verlebten ca. 8000 Urlauber schöne Ferientage in unserer Stadt. So wurde Rastenberg zum „Kurort der Werktätigen“.Der Campingplatz oberhalb des Schwimmbades lockte mit Zeltplatz, Wochenendhäusern, Sporteinrichtungen und Zeltkino viele Naherholer an. Dies blieb bis zur Wende 1989 so.
Ein für das Schwimmbad wichtiges Problem war die Qualität des Wassers. Durch den direkten Zulauf des Flüsschens „Lossa“ traten Belastungen auf. Im Sommer 1949 war das Wasser voller Algen. Der Stadtrat wollte Karpfen einsetzen, was aber vom Hygieneinstitut Jena untersagt wurde. Mit der Chlorung des Wassers begann man ab 1952. Eine weitere Verbesserung der Wasserqualität erreichte man durch das Betonieren der Beckensohle 1966. Endgültig hygienisch einwandfreies, klares Wasser erhielt unser Schwimmbad 1974 durch eine Tiefenbohrung von 100 m.
Dieses Wasser aus der Tiefenbohrung bescherte Rastenberg den Ruf, das Schwimmbad mit dem kältesten Wasser zu sein. Diese Legende hat sich bis heute hartnäckig gehalten, obwohl schon seit vielen Jahren eine moderne Umwälzanlage im Einsatz ist, welche die Wassertemperaturen durchaus mit denen anderer Schwimmbäder vergleichbar macht.
Aufgrund der vielen Urlauber, der fünf Ferienlager und der Schwimmlager der umliegenden Schulen war unser Bad immer gut besucht.
Mit der Wende kam ein erheblicher Bruch. Das Urlauberwesen des FDGB verschwand, die Vermietung ging zurück und die Menschen fanden neue Möglichkeiten der Freizeitgestaltung.
Doch noch heute kann man, wenn man mit Leuten in weiter entfernten Orten ins Gespräch kommt, hören:
Die Besucherzahlen sanken somit erheblich. Ein Freibad ist natürlich auch immer vom Wetter abhängig. Somit hat das Waldschwimmbad auch in den 90er Jahren Höhen und Tiefen erlebt.
„Rastenberg, dass ist doch der Ort mit dem schönen Schwimmbad!“.Die Rastenberger und ihre Freunde sollten dafür stehen, dass es so bleibt und wir in zwanzig Jahren den 100. Geburtstag feiern können.